Verschwinde! von Selina
Ein Klopfen. Von meinem Fenster? Nein, es kam von weiter her und doch war es so nah. Von meinem Bett stand ich auf und schlich zu dem offenen Fenster. Der leuchtende Mond schien hindurch. Es war dunkel und niemand war da. Ein Klopfen, schon wieder! Eilig rannte ich aus meinem Zimmer nach unten in die Küche. Ich drehte mich um und da stand sie. "Aufwachen, mein Schatz. Du musst zur Schule." Verschlafen machte ich meine hellblauen Augen auf und starrte in das Gesicht meiner Mutter. Ein Blick auf meine Uhr und dann stand ich blitzschnell auf. "Ich bin viel zu spät, ich muss los." Ich rannte ins Bad, zog mich an, ging runter in die Küche, schnappte mir ein Brötchen und ging zur Tür hinaus. Auf dem Schulhof traf ich auf meine beste Freundin Elisa, die mir zuschrie: "Na, auch schon wach? Du Murmeltier, die Sommerferien sind vorbei!" "Ja, ich weiss", schrie ich zurück, lächelte sie an und umarmte sie herzlich. Zusammen gingen wir dann in unsere erste Stunde. Ich nickte ein. Dieses Klopfen schon wieder. Wo war ich? Es war dunkel. Ein Friedhof. Überall diese alten Grabsteine und diese grossen dunklen Bäume. Was machte ich hier? "Dingdong." Ich wurde wach. "Habe ich etwa geschlafen?", fragte ich Elisa. "Ja, die Lehrerin merkte es nicht einmal", antwortete sie lachend. Ich schaute sie verwirrt an, stand auf und verabschiedete mich. Ich eilte in den Wald zum Friedhof, warum wusste ich eigentlich gar nicht. Was machte ich hier? Ich schaute mich um und schaute die Grabsteine an. Es klopfte. Woher kam das? Als es mir zu unheimlich wurde, ging ich wieder nach Hause. Zuhause angekommen stand meine Mutter verärgert vor der Haustüre. "Wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht!", schrie sie mich an. "Ich musste länger in der Schule bleiben", antwortete ich prompt und ging schnell ins Haus. Ich konnte ihr doch nicht sagen, dass ich auf dem Friedhof gewesen war. Die Nacht brach herein und ich lag tief schlafend in meinem gemütlichen, warmen Bett. Es klopfte an der Türe. Eine alte Dame mit einem weissen Kleid stand da. "Grossmutter, was machst du denn hier?", fragte ich sie. "Lass mich zu dir kommen, mein Schatz." Ich erwachte. Was passierte hier gerade? Ich stand verwirrt auf und ging ins Zimmer meiner Mutter. Sie schlief tief und fest. Trotzdem weckte ich sie und sagte ihr, dass ich was gesehen hatte. "Das war nur ein blöder Traum, lass mich weiterschlafen", antwortete sie. Daraufhin liess ich sie in Ruhe und ging wieder schlafen. Wieder diese Grabsteine. Wieder dieser Friedhof und diese grossen dunklen Bäume. Isabel Müller? Meine Grossmutter? War sie tot? Erneut erwachte ich. Ich schrie und weinte. Meine Mutter kam in mein Zimmer. Sie umarmte mich und blieb dabei ganz ruhig. Ich schrie sie an und sagte: "Ist sie tot? Deshalb kam sie uns in den Sommerferien nicht besuchen? Du weisst, wie ich sie liebe! Wieso verschweigst du mir das?" So viele Fragen und so wenig Antworten. Ich war verzweifelt, enttäuscht und verletzt. 3 Wochen später. "Komm zu mir, mein Schatz." Ich lief ihr nach. Sie brachte mich zu einer hohen Brücke. "Spring, dann geht es dir besser, keine Gefühle und kein Leiden mehr", flüsterte sie mir zu. Einen Schritt ging ich weiter vor. Ich fühlte nichts, keine Angst und keine Trauer. Es war vorbei.
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