Cave von Oriana
Ich war schon dagegen, als sie sagte, wir sollen in den Bergen wandern gehen. Sie war immer zu neugierig und abenteuerlustig gewesen. Tja, es war ein schöner Morgen, Charlotte kam bei mir vorbei und sagte, wir sollen etwas gemeinsam machen. Ich konnte ihr ja nicht einfach widersprechen. Sie war meine heimliche Liebe und ausserdem konnte man ihr nicht nein sagen, sie war zu stur, eine stures 17-jähriges Mädchen. Ich wollte eigentlich nicht in die Berge gehen und schon gar nicht ohne Eltern, sie überredete mich aber, wie immer. „Fabian, du bist schon 19, du bist schon erwachsen, du musst nicht immer mit den Eltern wohin“, sagte sie. Also nahmen wir denn nächsten Bus in die Berge. Eineinhalb Stunden Fahrt. Ganz alleine mit ihr. Es war eine tolle Zeit. Und dann kamen wir an. Es war nicht mehr so warm wie am Morgen aber es ging. Wir liefen ganz gemütlich los mit unseren hässlichen Wanderschuhen und schweren Rucksäcken. Wir liefen und liefen, niemand war zu sehen. Es war ein wenig eigenartig. Das Wetter war perfekt, die Aussicht wunderbar und trotzdem war dort niemand. Wir machten eine Pause im Wald auf einem kleinen herzigen Bänkchen. „Wieso gefällt es dir nicht in der Natur?“, fragte sie, „es ist so schön hier, hörst du die Vögel zwitschern? Und sie fliegen wie verrückt hin und her.“ Darauf antwortete ich ein bisschen unruhig: „Zuhause habe ich meinen Computer und wenn ein Gewitter kommt, bin ich in Sicherheit, ich glaube wir sollten schnell zurück. Die Vögel verhalten sich so, wie wenn ein Gewitter herbeizieht.“ „Quatsch, komm, laufen wir weiter“, sagte sie lebensfreudig. Nun ja, ich folgte ihr ein bisschen besorgt, ich fand es ja schon komisch, dass keine Menschenseele zu sehen war. Ein Gewitter erklärte aber schon einiges. Ich hoffte, früh genug zurück zu sein. Man spürte eine kühle Brise, es wurde kühler. Zum Glück hatte es in der Nähe keine Bäume und dort hinten hatte es einen Eingang zu einer Höhle, für alle Fälle. „Charlotte, wir müssen gehen“, sagte ich unruhig, fast schon panisch. Ich hatte nämlich furchtbare Angst vor Gewittern. „Wir gehen, wenn du mich fängst!“, schrie sie, während sie schon losgerannt war. Ach du scheisse. Ich sah ein grelles Licht, gefolgt von einem lauten Donnern. Regetropfen flossen mir langsam über meine nackten Arme. Ich spürte die Kälte in meinen Knochen, und ich wusste; es wird gefährlich. „Charlotte, Charlotte, renn in die Höhle!“, schrie ich aus voller Kehle. Ich schwöre, ich war noch nie so schnell gerannt. Ausser Atem kamen wir voll durchnässt in die Höhle. Uff, das war knapp gewesen. Das einzige, woran ich dachte war: „Ich hoffe, es geht schnell vorbei.“ Charlottes Sorgen waren auf jeden Fall nicht dieselben. „Ist die gross“, voller Staunen schaute sich Charlotte um, „wir müssen tiefer rein!“ Ich musste zugeben, die Höhle war erstaunlich. Höhlenmalereien, Kunstwerke der Altsteinzeit, Menschen hatten so kommuniziert. Ohne etwas zu sagen, folgte ich ihr. Die Kälte war mir egal. Das Gewitter würde vorbeiziehen. Ich hörte Tropfen, ich sah jede Minute besser in der Dunkelheit, ich erkundigte etwas, ich war mit ihr. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass es heller wurde. Wieso auch immer. „Merkst du es auch?“, fragte ich sie. „Ich glaube, es wird heller, Fabian, komisch“, antwortete Charlotte verwirrt. „Ah!“, schrien wir zusammen und plötzlich war die Welt verkehrt herum. Wir hingen kopfüber. Unsere Knöchel waren an einem Seil befestigt, das von der Decke hing. Eine Falle. „Was geschieht gerade?“ Ich hatte noch nie so viel Angst in ihrer Stimme gehört. Ich hatte selbst noch nie so viel Angst gehabt. Nein, Furcht. Wir waren zu zweit, wir hatten niemanden draussen gesehen und jetzt sahen wir auch niemanden, der uns hätte retten können. Vielleicht gehörte diese Falle einem Jäger und wer wusste, wie lange wir hier hängen würden. Charlotte zappelte wie eine Verrückte, ich versuchte, sie zu beruhigen. Aber das klappte nicht, ich konnte nicht mal selber klar denken. Mein Kopf tat weh, ich spürte, wie das ganze Blut in meinen Kopf floss, in zwanzig Minuten würde mein Kopf explodieren. Und da kam sie, unsere Rettung. Zwei ziemlich komisch gekleidete Menschen. Sie sahen uns und lösten uns aus der Falle. Wir bedankten uns mit einer Umarmung. Ich fragte mich, woher die kamen. Es wurde mir ziemlich egal, als sie uns fragten, ob wir mit ihnen Abendessen wollten. Mein Magen knurrte. Es war ein Geschenk Gottes. Wir folgten ihnen tiefer in die Höhle. Dort war ein kleines Feuer am Lodern. Und ein Bett war da auch. „Lebt ihr hier?“, fragte ich höflich. „Ja. Wir haben leider nicht oft Besuch, die meisten bleiben leider auch nicht lange“, sagte der Grössere von beiden mit einer leicht schrillen Stimme. Es war mir ein bisschen unwohl, deshalb fragte ich, wo ich mich umziehen könne, mir war kalt. Charlotte blieb alleine mit den Unbekannten. Während ich mich umsah, hörte ich immer wieder das Donnern und den Regen. Ich überlegte ruhig, wie wir zurückkommen würden und wie wir uns bei den Höhlenbewohnern entschuldigen sollten. Wir hatten wahrscheinlich deren Falle kaputt gemacht, die für ein Reh gewesen war. Nach einer gewissen Zeit fiel mir auf, dass Charlotte schon lange nicht mehr geredet hatte. Ich packe alles ein und lief entspannt raus. Plötzlich hörte ich einen Schmerzensschrei und bekam Gänsehaut. Etwas lief nicht gut. Als ich beim Feuer angekommen war, sah ich sie, am Boden mit einem Messer im Bauch. Ich spürte eine Leere im Magen und Tränen kullerten über meine Wange. Erst dann verstand ich alles. Die Falle war für Menschen und wir waren das Abendessen. Ich konnte nicht anders, als zu ihr rennen. Mitten im Weg schnappte eine kräftige Hand meinen Arm. Sie drückte so fest, dass ich aufschrie. Ich wusste nicht, was ich mehr fühlte, Schmerz, Traurigkeit oder Angst. Es war ein schreckliches Gefühl. Ich wusste, ich würde sterben. Und da fiel mir ein: Wo war der Andere? Er kam langsam zu uns hin, nachdem er bei Charlotte vorbeigegangen war. Er hatte das Messer aus Charlotte rausgezogen und war nun schon fast bei uns. Er blieb einen Schritt vor mir entfernt stehen. Ich konnte schon den Schmerz spüren. „Ich war so froh, als ich euch von weitem sah“, sagte der grosse Mann lachend, „wir hatten schon lange kein frisches Menschenfleisch mehr! Dich werde ich Stück für Stück geniessen. Einem Mädchen wie ihr konnte ich so etwas nicht antun. Soll ich dir zuerst einen Arm nehmen?“ Ein brennender Schmerz, ein gebrochenes Herz und das einzige was ich machen konnte war - nichts. Das Blut spritzte. Mir wurde schlecht. Ich verlor viel Blut. Der grosse Mann nahm meinen Arm und legte ihn über das Feuer. Der kleinere der Männer löste denn griff. Er hatte es, glaubte ich, nicht richtig bemerkt. Ich löste mich komplett und rannte. Wortwörtlich um mein Leben. Ich zog mein T-Shirt wären dem Rennen aus, nachdem ich aus der Höhle gekommen war. Ich versuchte mein Arm zu binden, als ich umkippte und endlich in meinem Bett aufwachte.
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