Untitled von Matia
„Es wurde kalt, immer kälter und kälter, es war, soweit ich in die Vergangenheit denken kann, der kälteste Abend meines Lebens. Klar, vielleicht lag es auch daran, dass meine Crew und ich auf einer grossen Eisplatte balancierten und Vodka tranken, inmitten der weitläufigen und leeren Antarktis. Welchen Vodka, fragst du dich? Das ist doch egal, wir waren jedenfalls betrunken, betrunken genug, um auf einer Eisplatte zu stehen und russisches Roulette zu spielen, mit einem alten, nun schon fast vereisten Revolver. Mein Crewmitglied Ikan, der mein bester Kumpel war, hatte nun die Knarre in der Hand. Stoklav und Martonji standen, oder besser gesagt taumelten, neben mir. Absolute Stille, nur noch das leise Rauschen der Wellen im Hintergrund und der fast schon pechschwarze Nachthimmel über uns war wahrzunehmen. Plötzlich wurde ich müde und sank zu Boden. Nur noch im Augenwinkel sah ich, wie mein Freund sich den Todesstoss gab. Die einst klare, weisse Schneedecke über der Eisplatte, wurde mit roten Punkten besprenkelt. Meine Ohren dröhnten und ich spürte in meiner Lunge den zerrenden Schmerz vom starken alkoholischen Getränk. Ich schloss meine Augen und glitt in einen seelenruhigen Tiefschlaf. Leere. Dunkelheit. Ich spürte etwas. Etwas Kaltes. Ich zuckte zusammen, öffnete anschliessend meine Augen ruckartig. Es waren nur meine Crew Mitglieder gewesen. Sie hatten eiskaltes Meerwasser auf mein Gesicht geschüttet. Sie sahen nicht besonders glücklich aus. Ich fragte, warum dies so sei. Sie antworteten mir mit sehr ängstlicher Stimme, dass sich eines unserer Crewmitglieder das Leben genommen habe. Sie zeigten mir die Leiche auf der Eisplatte und mir grauste, denn es war Ikan. Ikan, mein bester Freund. Ein Loch. Ein Loch klaffte inmitten seines menschlichen Kopfes. Es blutete nicht mehr, denn es war mit einer dünnen Schneeschicht überzogen. Und das Blut war eingefroren. Jedoch konnte man noch zu viele Details sehen. Ich musste mich übergeben. Der Vodka von gestern oder wann immer ich das letzte Mal wach gewesen war, kam mir hoch. Die anderen sahen mich an und fragten mich, wo wir seien. Ich wusste fast nichts mehr. Aber an eines konnte ich mich noch erinnern. Wir waren auf einer Eisplatte. Es schien die Sonne. Jeder zog sich aus, um die Kleider einigermassen trocken zu kriegen. Nach etwa einer Stunde sah ich ganz in der Nähe kleine rote Häuser. Nein, es waren Container. Es waren unsere Container! Da, in diesen Dingern lebten wir Tag für Tag. Ich erkannte, dass wir gar nicht weit rausgetrieben worden waren. Wir waren von den Wellen zurückgestossen worden. Am Rand der gebrochenen Eisscholle sprangen wir über die kleine Spalte. Wir liefen direkt auf das Festland zu unseren Containern. Dort angekommen, schauten wir erst mal nach, ob unsere Esswaren und Kleider noch da waren. Ja, sie waren noch da. Leider gab es ein Problem. Die Heizung lief nicht mehr, denn man musste sie immer am Abend zuvor einschalten. Wie auch immer, wir assen unsere letzten Vorräte und gingen direkt ins Bett. Wir hofften alle, dass es uns danach ein bisschen besser gehen würde. Ich roch es. Es roch gut. Irgendwie verblüffend lecker. Es roch nach Zuhause. Es war ein Spiegelei mit Speck. Lecker, mein Lieblingsfrühstück. Keine Ahnung, woher das wir den noch hatten, den Speck, aber mir gefiel es. Mit gestärktem Magen machte ich mich auf, um meine Eisarbeiten zu erledigen. Meine Kollegen Stoklav und Martonji kamen mit mir mit. Wir arbeiteten eigentlich jeden Tag an einer Forschung über Eis. Unsere Einheit hiess IRT, was so viel bedeutete wie Ice Research Team. Wenn ich dir sagen würde, was ich da tue, in meinem Job, dann würde ich gefeuert werden. Also sage ich es nicht. Seit der in Alkohol ertränkten Nacht war bisher nun schon eine ganze Woche vergangen und unser Vorrat an Essen war schon wieder fast alle, wie auch das Getränk. Am Abend wütete ein Schneesturm. TO BE CONTINUED
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