Brennender Rabe von Florian
Nicklas öffnete die schwere Eisentür und es kam uns ein Schwall von lungenverätzenden Gerüchen entgegen, es roch nach verdorbenem Fisch. In dem Raum, der sich hinter der Tür befand, lag Rauch und es war bis auf ein paar kleine Lichtquellen stockdunkel. Ich zögerte, aber Nicklas, der Mutigere von uns beiden, entschied sich, sich langsam in dem Raum vorzutasten, ich hinterher. Je weiter wir in den Raum hineinkamen, desto stärker wurde dieser unangenehme Gestank. Ich bemerkte ein leichtes Kitzeln und Kratzen an meinem linken Knöchel, doch ich war zu konzentriert, um mich zu kratzen. Herr Oberdörfler gab Nicklas und mir den Auftrag, im Keller die benötigten Reagenzgläser zu holen. Er gab uns immer solche Aufträge, damit wir möglichst wenig vom Unterricht mitbekommen und schon gar nicht den Unterricht stören konnten. Er mochte uns seit dem ersten Schultag nicht, als wir bei einem seiner Chemieversuche nicht richtig aufgepasst und aus Versehen zwei Stoffe zusammengemischt hatten, die anschliessend eine kleine Stichflamme erzeugt und dem Herr Oberdörfler, der uns gerade zugeschaut hatte, die rechte Gesichtshälfte verbrannt hatte. Das verzieh er uns nie und er hatte einen Hass auf uns, auch hatten wir seitdem nie mehr eine genügende Note bei ihm gehabt. Er drohte uns sogar, er werde unsere Leben für immer zerstören, so, dass wir nie wieder lachen können würden. Eine längere Zeit lang unternahm er nichts, doch mit der Zeit wurde er wütender und wollte uns bestrafen. Nicklas flüsterte: „Hörst du das auch?” Ich spitzte die Ohren und lauschte, plötzlich hörte ich auch, wie ein schnelles Krabbeln, welches immer lauter wurde, auf uns zukam. Auf einen Schlag war aber wieder komplette Stille und erst, als wir nach einem Moment den Mut wiedergefunden hatten weiterzugehen, begann es wieder. Zum selben Zeitpunkt sah ich die Silhouette einer grossen schwarzen Gestalt, ich kreischte und machte kehrt, ich rannte zur Tür, die ich aber nicht mehr öffnen konnte. „Die muss jemand versperrt haben”, dachte ich und schrie Nicklas unverständliche Worte zu. „Wisst ich nicht, wer ich bin?”, krächzte die Gestalt böse. Wir aber blieben wie versteinert stehen. Erst jetzt fiel mir die Rabenkopf-Maske auf, die die Gestalt trug. „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich Rache an euch nehmen werde!” Jetzt war uns klar, wer die Gestalt war und Nicklas und ich wussten, wir konnten jetzt nicht anderes tun, als auf ein Wunder zu hoffen. Ich schaute mich hastig um und sah zum Glück rechtzeitig die fast leere Alkoholflasche, die neben mir auf einem Regal stand, ich nahm eine grosse Menge davon in meinen Mund, hielt mein Feuerzeug, welches ich in der Hosentasche gehabt hatte, und pustete der Gestalt den brennenden Alkohol entgegen, bevor uns seine Kakerlaken zerfressen konnten. Den Rest des Alkohols kippte ich auf die Gestalt mit der Rabenmaske und seine Kakerlaken, die wir vorhin gehört hatten und liess alles komplett verbrennen. Wir rannten schnell aus dem Schulgebäude, kamen nie mehr zurück und würden die Leiche von Nicklas verstorbener Grossmutter hinten im Raum nie bemerkt haben.
Lade hier den Text als PDF herunter.